Emotionen im Job
Der Mensch, das emotionale Wesen
Im Job treffen wir unsere Entscheidungen streng rational auf Basis der vorliegenden Fakten? Wer das glaubt, macht sich selbst etwas vor. Denn unsere Emotionen sind immer vorhanden.
Stellen Sie sich folgendes vor: Sie wachen auf und freuen sich, weil die Sonne scheint. Auf dem Weg ins Büro ärgern Sie sich über den Stau und kommen gestresst ins Meeting. Danach erfahren Sie, dass eine wichtige Aufgabe nicht erledigt wurde und reagieren wütend. Dann fällt Ihnen plötzlich ein, dass Sie den Geburtstag eines Kollegen vergessen haben, was Ihnen sehr peinlich ist. Beim Mittagessen erzählt Ihnen eine Kollegin einen Witz und Sie lachen herzhaft darüber. So geht es den ganzen Tag weiter mit den Gefühlen. Was wir sind und was wir tun, bestimmen wesentlich unsere Emotionen. Sie beeinflussen unsere Handlungen und natürlich auch unsere Entscheidungen.
Keine Entscheidung ohne Emotionen
Unser Gehirn ist die wohl komplexeste Struktur im Universum und es vollbringt unglaubliche Leistungen. Es sehnt sich nach den Sternen oder einer leckeren Pizza. Es scherzt, flirtet, liebt und leidet. Zudem kann es Gleichungen und Geldschränke knacken oder Symphonien und Schlachtpläne ersinnen. Diese und viele Leistungen mehr erbringt unser Gehirn aus unserer Sicht selbstverständlich. Es würde aber jeden Hochleistungscomputer zur Verzweiflung bringen, wenn dieser nur eine Ahnung davon hätte, was Verzweiflung ist.
Scheinbar chaotische elektrische Ströme rasen durch ein riesiges Netzwerk von Neuronen. Nehmen auf, was uns unsere fünf Sinne von draußen liefern, leiten weiter, verbinden Zellen, verändern Synapsengewichte und Reizschwellen. Alles, was wir denken, fühlen, lieben oder hassen geht von unserem Gehirn aus. Aber genau diese in der Natur einmalige Fähigkeit – Emotionen zu empfinden – spielt uns in vielen Bereichen unseres Lebens einen Streich oder stellt uns vor scheinbar unlösbare Aufgaben.
Stellen Sie sich jetzt diese Situation vor: Sie sind Chefärztin einer Klinik und haben Nachtdienst. Plötzlich erhalten Sie einen Anruf und erfahren, dass es auf der Bundesstraße einen Massenunfall mit 10 lebensgefährlich Verletzten gegeben hat, die mit Rettungswagen auf dem Weg in Ihre Klinik sind. Sie haben aber nur sechs freie Betten, zwei OPs und zwei Assistenzärzte zur Verfügung. Welche Patienten operieren Sie zuerst? Frauen oder Männer? Kinder oder Erwachsene? Junge oder Alte? Und wie würden Sie entscheiden, wenn Sie bei der Einlieferung plötzlich feststellen, dass sich unter den Schwerverletzten Ihr Lebenspartner und Ihre 5-jährige Tochter befinden? Wie auch immer Sie sich in diesen beiden Beispielsituationen entscheiden, eine Entscheidung ohne Emotionen ist nicht möglich. Und das trifft nicht nur auf solche Extremsituationen zu, sondern auf alle Situationen unseres Lebens zu, also auch im Beruf.
Wie Emotionen entstehen, wie wir sie wahrnehmen und interpretieren
Ein Leben ohne Gefühle ist unvorstellbar. Aber was sind Gefühle? Wie entstehen Gefühle? Und vor allem: Wozu sind Gefühle gut? Der Hirnforscher und Nobelpreisträger Eric Kandel sagte einmal: „Der spannendste Forschungszweig unserer Tage ist die Biologie der Emotionen“. Und nach Antonio Damasio, ein Neurowissenschaftler, der vor allem durch seine Arbeiten zur Bewusstseinsforschung bekannt wurde, sind Emotionen sogar die geheimen Regisseure unseres Alltags. Fest steht: Emotionen sind keinesfalls lediglich ein tierisches Erbe der Evolution, das uns den Weg zu Weisheit und Vernunft verbaut. Vielmehr sind Emotionen sehr nützlich, denn sie fördern richtiges Entscheiden und Verhalten – können es aber auch, wenn man sie fehl interpretiert, verhindern.
Emotionen sind konservierte Erfahrungen
Eine weitere wichtige Rolle spielen Gefühle im Zusammenhang mit dem treffen von richtigen und falschen Entscheidungen. Wie rational und/oder emotional sind Entscheidungen, die wir treffen? Bereits in den 1990er Jahren hat Antonio Damasio eindrucksvoll demonstriert, dass menschliches Entscheiden, längerfristiges Planen und konsequentes Verfolgen von Plänen mit unserem emotionalen Bewertungssystem steht und fällt. So hat er beispielsweise festgestellt, dass manche neurologischen Patienten trotz intakter Gedächtnisse und guter Intelligenz systematisch falsche Entscheidungen treffen und vernünftige Einsichten nicht in entsprechendes Verhalten umsetzen können. Der Grund hierfür ist die emotionale Bewertung im präfrontalen Cortex. Fällt diese emotionale Bewertung zum Beispiel aufgrund einer Störung aus, treffen die Betroffenen unvernünftige Entscheidungen. Ihnen fehlt das notwendige emotionale Gedächtnis für frühere vergleichbare Situationen, die einen wichtigen Teil unseres emotionalen Erfahrungsschatzes ausmachen. Emotionen sind also neben den bereits besprochenen Kriterien vor allem konservierte Erfahrungen.
Nach Damasio´s Theorie („Die Theorie der somatischen Marker“) werden alle Erfahrungen eines Menschen emotional markiert. Trifft dann ein Mensch eine Entscheidung, erlaubt dies eine rasche, unbewusste Bewertung der gegebenen Situation. Menschen mit einer Schädigung im präfrontalen Cortex hingegen können nicht mehr auf frühere Markierungen zurückgreifen und müssen folglich jede Situation neu bewerten. Emotionen sind also unabdingbar für zwischenmenschliche Interaktionen und Handlungen. Ohne Emotionen ginge uns die Grundlage für einen gelingenden Alltag völlig verloren.